Freitag, 15. Februar 2013

Extra Classes - Der ganz normale Wahnsinn

Es ist mal wieder schon zehn vor vier und der Lehrer, der unsere älteste Klasse unterrichten soll, ist immer noch nicht da. Ich checke also wie immer erst mal die Anwesenheit in den anderen beiden Klassen, bevor ich mich daran mache unseren drei Jüngsten, Albert, Lamisi und Tanpandam, ihre Aufgaben zu geben. Um diese drei müssen Lisa und Ich uns kümmern, weil sie noch so gut wie kein Englisch können und deshalb im normalen Nachhilfeunterricht nicht mitkommen. (Noch dazu, weil die Lehrerin der jüngsten Klasse (6-9 Jahre) ihnen eine selbst erfunden Art der Bruchrechnung erklärt, bei der ½ kleiner ist als 2/4...)
Für Albert sind es diesmal zehn Minusaufgaben, nachdem er an der Aufgabe gescheitert ist, ob die 2 wohl größer oder kleiner ist als die 4...Nach einigen Erklärungsversuchen (auf Englisch), hab ich es allerdings aufgegeben. Die Minusaufgaben dürften aber in einer Stunde sogar für ihn zu schaffen sein. Lamisi darf in ihrem neuen Copybook, Sätze schön auf eine Linie schreiben und Tanpandam schreibt das Alphabet zum tausendsten Mal ab. Nachdem die Aufgaben verteilt sind, kommt Albert plötzlich drauf, dass er mit seinem Bleistift nicht schreiben kann..., nach einem kleinen Wortwechsel mit Lamisi, gibt diese ihm ihren Kuli und sie fängt mit seinem Bleistift zu schreiben an. (...???...) Ich denke mir, jetzt sind die drei erst mal beschäftigt und gehe raus um zu sehen ob der Lehrer schon aufgetaucht ist. Ja, er ist da und Lisa kommt um mir mit den Kleinen zu helfen.
Als wir zurück in die Klasse kommen ist Albert mit allem anderen in seiner Umgebung beschäftigt nur nicht mit seinen Matheaufgaben und Lamisi ist dabei ihre Sätze so zu schnörkeln, dass das „t“ und das „s“ gleich aussehen...Lisa kümmert sich also um Lamisis „Schönschrift“ während ich versuche Albert aus seinem verträumten „aus-dem-Fenster-Blick“ zu wecken und wieder für seine Minusaufgaben zu begeistern...Als das halbwegs geschafft ist und ich mir sicher bin, dass Albert wenigstens so tut als würde er 5 – 4 an seinen Fingern abzählen, gehe ich mit Tanpandam noch einmal das ABC durch. Bis zum „K“ läuft es schon ganz gut, doch als sie dann beim „P“ mit tiefster Überzeugung und einen triumphierenden Lächeln auf dem Gesicht „G“ sagt und Albert schon wieder dabei ist den Vögeln hinterher zu gucken und Ameisen auf der Fensterbank zu zerdrücken, beschließen Lisa und Ich mit den dreien in einen anderen ruhigeren Klassenraum zu gehen.
Dort angekommen, vermisst Lamisi plötzlich ihren Kuli und auch Albert, der eben noch damit Ameisen gekillt hat, weiß nicht wo der Stift ist...ist ihm aber auch egal, weil er ist gerade dabei seinen Bleistift zu einer Mordwaffe anzuspitzen. Dann entschließt er sich doch dazu ihn zu suchen, kann ihn aber nirgendwo finden. Lisa gibt Lamisi ihren Stift und wir können endlich weiter machen. Als Albert dann aber wieder zu spitzen beginnt, nehme ich ihm den Spitzer ab, doch zu spät, der Bleistift ist mittlerweile so spitz, dass man die Linie auf dem Papier nicht mehr sehen kann. Mit der dritten von seinen zehn Aufgaben hat er allerdings Probleme und ich beschließe ihm zu helfen, begehe dann jedoch einen fatalen Fehler. Ich halte ihm meine Hände hin, damit er an meinen Fingern die geforderte Zahl abziehen kann...zu spät fällt mir sein mörderischer Bleistift ein, mit dem er im nächsten Moment meine Finger „abzieht“. Wenigstens hat er die Aufgabe jetzt richtig aber ich muss eine Runde an die frische Luft, zum Glück ist die Stunde so gut wie um! Für heute bin ich mit meinen Nerven am Ende, aber morgen ist wieder ein neuer Tag und irgendwie freue ich mich drauf, schließlich habe ich diese verrückte Bande doch irgendwie ins Herz geschlossen.


Eingeklemmt zwischen winzigen, klapprigen Schulbänken

Die fleißige Tanpandam und der vertäumte Albert



Albert gönnt sich eine Pause...
 



Sonntag, 10. Februar 2013

Die Harmattan-Saison

Zu dieser Saison, hier erst mal ein Ausschnitt aus meinem Reiseführer:
„In Ghana fällt die Trockenzeit meist mit der Haramttan-Saison zusammen. Harmattan ist der Name der aus Nordosten wehenden Passatstürme, die aus der Sahara kommen und Ghana von November bis Februar erreichen. Das Resultat sind warme Tage und kühle Nächte. (…) Das andere Hauptmerkmal dieser Jahreszeit sind die trüben Tage, verursacht durch den feinen Sand: der Harmattan verfrachtet jährlich mehrere Milliarden Tonnen Staub aus den Wüstengebieten Nordafrikas nach Südwesten.“

Wo genau zumindest ein Teil dieser Milliarden Tonnen aus der Wüste „verloren“ gegangener Staub ab geblieben ist, mussten Lisa und Ich schmerzlich erfahren, als wir nach 12 Stunden Fahrt aus Jirapa am Abend des 11. Januar in Bunkpurugu ankamen. Wir waren todmüde, hatten auf der Fahrt zweimal einen Platten gehabt und waren den ganzen Tag zwischen Koffern eingeklemmt und ohne wirkliche Pause durchgefahren.
Als wir also Abends, selbst völlig verstaubt, die Tür zu unserem Vorbereich, einer kleinen Veranda, öffneten, schlug uns sofort eine stickig, staubige Luft entgegen. In unserem Zimmer entdeckten wir den Grund dafür. Alles, jede noch so klitzekleine Oberfläche, war mit einer feinen aber deutlich sichtbaren Staubschicht bedeckt. Auch die Luft war trüb und der Staub kitzelte in der Nase. Für die Nacht entstaubten wir unsere Betten so gut es ging.
Der gesamte nächste Tag, war eine einzige riesige Entstaubungsaktion. Von früh morgens bis spät abends haben wir unsere zwei Zimmer erst komplett ausgeräumt, Wände, Decke, Boden, Fensterläden und Ventilator gefegt und gewischt, alle Sachen draußen abgeklopft und gewischt und wieder rein ins Zimmer. Die Gelegenheit haben wir dann gleich noch genutzt um einen neuen Boden für unsere Zimmer zu kaufen. Jetzt haben wir in unserem Schlafzimmer einen wunderschönen ausgerollten(!) „Holzboden“. Zumindest sieht es jetzt gemütlicher aus als vorher mit dem einfachen Zementboden. Nach dem einräumen war dann die Veranda dran. Zum Glück haben uns gegen Nachmittag noch unsere Gastbrüder Hamilton und Duncan geholfen, sonst wären wir wohl an dem einen Tag nicht fertig geworden...
Seitdem halten wir jetzt tagsüber die Fensterläden und Türen geschlossen, sonst müssten wir wohl alle zwei Tage gründlich entstauben. Auf unserer Veranda fegen wir tatsächlich jeden zweiten Tag einen halben Sandkasten zusammen.

An manchen Tagen fühlt man sich bei einem Spaziergang durchs Dorf tatsächlich so als wäre man mitten in einen Wüstensturm geraten. Morgens und bis zum Mittag sind die Winde am schlimmsten. Das macht nicht nur das morgendliche Wäsche waschen schwer, sondern auch das fixieren der Wäsche auf der Leine...und an besonders schlimmen Tagen wird das abendliche Duschen zu einem Schlammbad.
Abends lassen die Winde nach und manchmal ist es fast windstill. Dazu herrschen angenehme, fast europäisch (wegen der trockenen Luft) sommerlich kühle Temperaturen.

Es ist eine ungewohnte Wettersituation im Moment, aber wie an fast alles, haben wir uns auch daran schon fast gewöhnt. Man entdeckt und entwickelt ganz neue Eigenschaften; einen Putzfimmel habe ich mir jedenfalls früher nie zugetraut...


Alles raus aus dem Zimmer...

...und ab in den Flur

Für eine Sandburg reicht es noch nicht, aber in einer Woche könnte man schon gut einen Sandkasten füllen
Ich finde das Resultat lässt sich sehen

Freitag, 8. Februar 2013

Weihnachten und Silvester mal anders

Die Weihnachtsferien haben wir also in Jirapa verbracht. Es war eine sehr erholsame und lustige Zeit mit allen anderen Freiwilligen und der Familie Ayembilla.
Ich habe lange überlegt wie ich das Weihnachten wie es hier in Ghana gefeiert wird, am besten beschreibe, und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es einfacher ist zu beschreiben wie es nicht gefeiert wird. Stellt euch einfach Weihnachten vor ohne Weihnachtsbaum, ohne Geschenke
darunter, ohne sinnliche Kerzenstimmung, ohne Christkind, dass das Glöckchen bimmelt, ohne gemütliches Zusammensitzen am Kaminfeuer während es draußen schneit. Ja, es lief zwar den ganzen Tag im Haus in einer Dauerschleife „We wish you a merry christmas“ aber nebenher war die ganze Zeit hektischen Treiben, weil die ganzen drei Tage um Weihnachten eine Christmas Convention stattfand. Das heißt, eine Veranstaltung, bei der zwei – bis dreimal am Tag ein Gottesdienst stattfand. Zwischendurch wurde viel gekocht und gegessen und dann wieder zum Gottesdienst gegangen. Da das Oberhaupt der Familie Ayembilla der Pastor war und seine Söhne das Lobpreisteam bildeten, war die ganze Familie über Weihnachten busy. Wir Freiwilligen mussten nur einmal am Tag zum Gottesdienst, obwohl der auch ganz interessant war, da ein Missionar aus Amerika gepredigt hat und wir alle froh waren mal wieder ordentliches Englisch zu hören.
Am 24.12. haben wir Freiwilligen uns einen gemütlichen Tag gemacht mit Zimtapfelpfannkuchen zum Frühstück und Weihnachtsliedern und Kartenspielen. Abends waren wir dann noch im Gottesdienst. Am 26.12. war dann die richtig große Familienfeier, für die extra ein ganzes Schwein geschlachtet wurde und bei der es überhaupt massig zu Essen gab. Den ganzen Abend bis in die Nacht hinein haben wir draußen im Hof Spiele gespielt bis uns nichts anderes mehr einfiel als „Blinde Kuh“ und „Verstecken“.

An einem Tag haben wir dann noch das Waisenhaus in Jirapa besucht und haben dort mit den Kindern Spaghetti gekocht, gegessen und rumgealbert. Wir hatten einen lustigen Tag und es ist immer wieder erstaunlich mit was für einfachen Sachen man die Kinder hier glücklich machen kann,...auch wenn sie aus unverständlichen Gründen deutsche Tomatensoße nicht mögen...

Silvester war dann so ähnlich. Am 31.12. gab es Abends einen Gottesdienst und bis nach Mitternacht haben die Leute getanzt und gesungen. Es war eine wahnsinns Stimmung in der Kirche und alle hatten einen riesen Spaß. Auch ohne Feuerwerk und Sekt. Am Abends des 01.01. gab es dann wieder eine große Familienfeier mit viiiiel Essen, vielen Spielen und viel Spaß. Jemand hatte die Idee, dass sich alle irgendwie verrückt verkleiden sollten und so wurde das neue Jahr sehr bunt begrüßt.
Wir hatten dann noch eine weitere schöne Woche in Jirapa, bevor wir wieder zurück an unsere Einsatzstellen gefahren sind.

Wieso die Heimfahrt ziemlich „platt“ war und welch sandiger Horror uns dann in Bunkpurugu erwartet hat, erfahrt ihr im nächsten Blogeintrag.


Unser Weihnachtsfrühstück mit Lisa (Bunkpurugu), Sarah (Wenchi) und Jonathan (Jirapa)












Drei der Kinder aus dem Waisenhaus in Jirapa

Von den Kinder "Aunti" genannt zu werden, weckte doch sofort jegliche Muttergefühle
Unser bunt-verrückter Neujahrsabend
 
Festschmaus an Neujahr